Prof. Dr. Klaus Mangold
Chairman Mangold Consulting GmbH
Hotel Colombi, Rotteckring 16, 79098 Freiburg
Zusammenfassung
Der sehr gut besuchte Vortrag von Prof. Mangold orientierte sich an drei Kernfragen: Zuerst gab der Referent seine Einschätzungen der aktuellen russischen Politik wieder, dann ging er auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft ein, um abschließend Chancen aufzuzeigen, wie das Verhältnis zwischen Russland und Europa verbessert werden könne und wo Deutschlands Rolle dabei liege kann.
Zu Beginn machte Prof. Mangold deutlich, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion eine noch nicht abgeschlossene Zäsur für Russland sei, die von den meisten Russen – darunter Präsident Putin – als schmerzliche Niederlage empfunden wird. Der damit verbundene Verlust an Einflusssphäre würde auch von Teilen der jungen russischen Elite nur schwer akzeptiert. Momentan befinde sich Russland in einer Konsolidierungsphase und sei auf der Suche nach einer neuen Geltungsposition in der weltpolitischen Ordnung. Mangold betonte, dass Russland innerlich (noch) nicht gefestigt sei und plädierte dafür, dass der Westen das Land nicht mit Erwartungen und Ansprüchen überfrachten solle. Die zentrale Frage sei, wie Russland sich in der jetzigen Lage zwischen Europa, den USA und China positioniere.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs habe sich das Verhältnis zwischen Russland und Europa bzw. Deutschland langsam verschlechtert. Daran hätten beide Seiten Mitverantwortung. Auf deutscher Seite herrsche dabei seit Ende der Kanzlerschaft Gerhard Schröders eine gewisse Sprachlosigkeit gegenüber Russland; weder bei Deutschland noch auf europäischer Ebene sei eine Agenda für eine Russlandpolitik zu erkennen. In der Vergangenheit habe Russland immer wieder die Nähe zu Europa gesucht, allerdings seien die europäischen Länder – außer zuletzt Frankreich durch einen Vorstoß Macrons – nicht im Gegenzug auf Russland zugegangen. Russland auf der anderen Seite habe durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und den militärischen Konflikt in der Ostukraine das Vertrauen des Westens stark beschädigt. In der Lösung des Ukraine-Konflikts sieht Klaus Mangold einen wesentlichen Aspekt zur Annäherung der beiden Parteien. Europa könne dies durch ein Programm zur Stabilisierung der Ukraine vorantreiben, hierfür sei insbesondere in der Ostukraine ein Rückzug des russischen Militärs von Nöten. So bestünde die Chance, dass ein deutlicher Fortschritt in ein bis zwei Jahren erreicht werden könne, was wiederum zu einer Lockerung bzw. Aufhebung der Sanktionen führen müsse.
Nach Prof. Mangolds Einschätzung verfolgt Russland außenpolitisch keine langfristige Strategie, sondern nutzt immer wieder konkrete Machtvakuen, die sich nicht zuletzt durch die Krise der internationalen Institutionen wie der UN, der NATO und der WTO aufgetan haben. Zuletzt war dies am Beispiel Syriens zu sehen, wo Russland eine Machtlücke nutze, um als regionale Ordnungskraft wieder auf der weltpolitischen Bühne wahrgenommen zu werden. Klaus Mangold bewertet dieses Verhalten Russlands darüber hinaus als Reaktion auf die Suspendierung aus der G8, die auf russischer Seite als große Demütigung empfunden würde. Handelspolitisch suche sich Russland neue Partner wie China oder afrikanische Staaten, wo es große wirtschaftspolitische Möglichkeiten sieht. Jedoch würden diese Länder nicht als geopolitische Verbündete gesehen.
Innenpolitisch sieht Prof. Mangold derzeit keine Alternative zu Präsident Putin. Entscheidend wird seiner Ansicht nach sein, wie sich die junge russische Elite bei Fragen wie der Internetgesetzgebung positioniert und wie die Regierung mit oppositionellen Kräften umgehe. Als besonders besorgniserregend bewertete er die Tatsache, dass die Lebenserwartung in Russland 10 bis 15 Jahre unter dem europäischen Durchschnitt liegt.
Einleitend für seine Analyse der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation Russlands hob Prof. Mangold hervor, dass das Land aufgrund seiner Rohstoffvorkommen potentiell reich sei. Diese Rohstoffvorkommen binden Russland und Deutschland aneinander: Russland wird den Energiefluss einerseits nicht unterbrechen, da es von diesen Einnahmen abhängig sei. Andererseits wird die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Rohstoffen mittelfristig ansteigen, da die Quellen anderer Zulieferer versiegen.
Generell sei die russische Wirtschaft weiterhin sehr stark von der Rohstoffwirtschaft abhängig, was sich in der Entwicklung des BIP zeige, das parallel zum Gas- und Ölpreis verläuft. Die Tatsache, dass die russische Industrie in den letzten 20 Jahren kaum Modernisierungsschübe erfahren habe, verstärke diese Strukturen, die sich auch in der Exportbilanz widerspiegeln: Hier ist kein Anstieg der Industriegüterexporte in Relation zu Rohstoffexporten zu beobachten.
Das russische Wachstum sei in den letzten Jahren vergleichsweise schwach ausgefallen. Dennoch sei es gelungen die Arbeitslosigkeit gering zu halten und die Inflation zu begrenzen. Nichtsdestotrotz ist die reale Kaufkraft in den letzten Jahren deutlich gesunken, was in der Bevölkerung aufgrund der spürbaren Unterversorgung mit Konsumgütern ein gewisses Konfliktpotential mit sich bringe. Im Bereich der Landwirtschaft war Russland durch die Sanktionen gezwungen, neue Strukturen aufzubauen und so von Import- und Exportmärkten unabhängiger zu werden. Auch in anderen Wirtschaftszweigen versucht Russland, einen größeren Anteil der Wertschöpfung im eigenen Land zu generieren.
Für Deutschland haben die Sanktionen ebenfalls deutliche Einbußen mit sich gebracht: So sei die Anzahl der Exporte nach Russland weit entfernt von dem Stand vor ihrem Inkrafttreten (2019 wurden mehr Güter nach Ungarn exportiert als nach Russland). Mittlerweile seien Indien und China die Haupthandelspartner Russlands. Der Anteil der deutschen Direktinvestitionen in Russland sei jedoch angestiegen, sodass die beiden Ökonomien weiterhin verflochten sind.
Abschließend plädierte Professor Mangold sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene dafür, das politische Engagement gegenüber Russland zu erhöhen und eine Verbesserung der Beziehungen anzustreben. Eine Russlandstrategie der Bundesregierung sei hier unerlässlich. Über eine Lösung der Ukraine-Krise könne Russland perspektivisch wieder zu einem stabilen Partner für den Westen werden.
Der Referent
Prof. Klaus Mangold wurde am 6. Juni 1943 in Pforzheim geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und Wirtschaft an den Universitäten München, Genf, Paris, London, Heidelberg und Mainz. Nach seinem Studium hatte Prof. Dr. Mangold verschiedene Positionen in der deutschen Industrie inne. Von 1983 bis 1990 war er Vorsitzender und Mitglied des Vorstandes der Rhodia AG, einer Tochtergesellschaft der ehemaligen Rhône-Poulenc-Gruppe. Von 1991 bis 1994 war er Vorstandsvorsitzender der Quelle AG. Von 1995 bis 2003 war er Mitglied des Vorstands der DaimlerChrysler AG und zeitgleich Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler Services AG. In dieser Funktion verantwortete er den Geschäftsbereich Business Services und die Märkte Zentral- und Osteuropa der DaimlerChrysler AG.
Klaus Mangold war Mitglied der Aufsichtsräte der Metro AG und der Continental AG, Deutschland, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Alstom AG, Deutschland, Mitglied des Aufsichtsrats der Alstom S.A., Frankreich, Mitglied des Aufsichtsrats der Swarco AG, Österreich, und Mitglied des globalen Beirats von Ernst & Young, USA. Bis Mai 2019 war er Vorsitzender des Aufsichtsrats der TUI AG, Hannover. Von 1999 bis 2010 war Prof. Dr. Mangold Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.
Klaus Mangold ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Knorr-Bremse AG, München, Gründungsvorstand der Gesellschaft der Freunde der Akademie der Künste, Berlin und Mitglied des Stiftungsrats des Jüdischen Museums, Berlin. Darüber hinaus ist Klaus Mangold Vice Chairman Rothschild Europe, Paris/London, Mitglied des Aufsichtsrats der Holding „Baiterek“, Kasachstan, und Chairman der Mangold Consulting GmbH mit Sitz in Stuttgart, die 2003 gegründet wurde.
Klaus Mangold ist Ehrensenator der Universität Freiburg und Honorarkonsul der Russischen Föderation in Baden-Württemberg. Seit 2004 ist er Commandeur de la Légion d’Honneur.
Hinweis
Bitte beachten Sie, dass bei dieser Veranstaltung zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit fotografiert wird.