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Das Gebäude des Walter Eucken Instituts von außen
Walter Eucken Institut Walter Eucken und die Freiburger Schule

Einer der bedeutendsten deutschen Ökonomen des 20. Jahrhunderts Walter Eucken und die Freiburger Ordoliberale Schule

Walter Eucken (1891–1950) war einer der bedeutendsten deutschen Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Mit seinen grundlegenden Erkenntnissen zu den Funktionsbedingungen einer freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialordnung schuf er die Basis für die Soziale Marktwirtschaft und damit für den Wiederaufbau in Deutschland nach 1945.

Aufgewachsen in einem philosophisch-künstlerischen Elternhaus (sein Vater war der Philosoph und Nobelpreisträger Rudolf Eucken) und mit einem Studium der Geschichte, Staatswissenschaft, Nationalökonomie und Rechtswissenschaft war Walter Eucken ein fast universal gebildeter Wissenschaftler.

1927 trat der damals 36-jährige eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg an. In dem zunehmend interventionistischen Wirtschaftsstaat, den er in der Weimarer Republik beobachtete und der in der auf Mobilmachung ausgelegten hochkartellisierten Wirtschaft des „Dritten Reichs“ kulminierte, sah er eine gefährliche Ballung von ökonomischer und politischer Macht. Wettbewerb war für ihn das Mittel, um solch eine Macht auf dem Markt und auch in der Politik zu verhindern, da Marktwirtschaft für Eucken zwingend mit einem funktionierenden Rechtsstaat verbunden war. Seine Kernthese lautete, dass die staatliche Wirtschaftspolitik direktionäre Eingriffe in den Wirtschaftsprozess unterlassen und sich auf Ordnungspolitik, also die Gestaltung der Wirtschaftsordnung durch allgemeine Regeln beschränken soll. Insbesondere soll sie den Wettbewerb schützen und stärken.

Die Anfangszeit der Freiburger Schule

Das hier aufgeworfene Problem – „die Frage der privaten Macht in einer freien Gesellschaft“, wie es im Rückblick einmal genannt wurde − beschäftigte zu Beginn der 1930er Jahre nicht nur den Wirtschaftswissenschaftler Eucken.

Auch die Juristen Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth, mit denen Walter Eucken ab 1933 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg zusammenarbeitete, waren darauf aufmerksam geworden. Die Betonung eines gesellschaftlichen und politischen Ordnungsrahmens der Wirtschaft wurde zum Hauptanliegen der „Freiburger Schule“, zu der bald auch Eucken-Schüler wie K. Paul Hensel, Friedrich A. Lutz, Karl Friedrich Maier, Fritz W. Meyer und Leonhard Miksch oder befreundete Nationalökonomen wie Constantin von Dietze und Adolf Lampe zählten. Ihr gemeinschaftliches Interesse mündete in einem eigenen Forschungsprogramm, dessen Entwicklung zunächst in der ab 1936 herausgegebenen Schriftenreihe „Ordnung der Wirtschaft“ dokumentiert wurde.

Im Vorwort des ersten Bandes betonen Eucken, Böhm und Großmann-Doerth, dass die Behandlung aller rechts- und wirtschaftspolitischen Fragestellungen „an der Idee der Wirtschaftsverfassung ausgerichtet“ werden müsse, die eine „politische Gesamtentscheidung über die Ordnung des nationalen Wirtschaftslebens“ darstellt. Wie Franz Böhm in seinem Beitrag zum ersten Band erläutert, wird die Freiheit des Marktes dabei stets vom Rahmen der Ordnung begrenzt. Das ordoliberale Konzept der Freiburger Schule entstand nicht zuletzt in Abgrenzung zu Diktatur und Planwirtschaft des Nationalsozialismus. Innerhalb der Universität hatte sich Eucken schon früh gegen die Anhänger der NS-Ideologie gestellt. Zusammen mit Böhm, von Dietze, Lampe und anderen engagierte er sich in den oppositionellen „Freiburger Kreisen“ und formulierte Ideen für eine marktwirtschaftliche Nachkriegsordnung. Ihre Thesen gelten als theoretische Basis für die später von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack geprägten wirtschaftspolitischen Weichenstellungen in Richtung Soziale Marktwirtschaft.

Die Freiburger Forschungs- und Lehrgemeinschaft löste sich mit Kriegsende auf. Eucken selbst konnte nur noch wenig Anteil an der Weiterentwicklung des Freiburger Ansatzes nehmen: Er starb 1950 überraschend während eines Lehraufenthalts in London. Sein posthum veröffentlichtes Werk „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ enthält einmal mehr den Appell an die Menschen „aus dem Geist einer richtig verstandenen Freiheit heraus die Notwendigkeiten einer gewollten Ordnung“ zu bejahen. Mit der Gründung des Walter Euckens Instituts und der damit erfolgten Institutionalisierung einer ordungsökonomischen Tradition erfüllte sich der Wunsch, den einer seiner Schüler in der Trauerrede äußerte: „So bleibt Prof. Eucken dem Geiste nach bei uns. Er lebt weiter in seinen Werken, in seinen Büchern und Schriften, vor allem aber in seinen Schülern.

Zehn ordoliberale Grundaussagen der Freiburger Ordnungsökonomik

Von Nils Goldschmidt und Michael Wohlgemuth

Aus: Goldschmidt, N., Wohlgemuth, M. (Hrsg.), 2008, Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, Mohr Siebeck, Tübingen, S. 13-14.

Es versteht sich für eine lebendige Forschungstradition von selbst, dass sie kein endgültig abgeschlossenes und unveränderliches Lehrgebäude dogmatisch verteidigt. Dennoch gibt es Grundthemen und -aussagen, die bereits in den 1930er Jahren in Freiburg formuliert wurden und noch heute innerhalb der Freiburger Denktradition, wenn auch nicht in allen Implikationen unverändert, als zentrale Leitideen wirken. Die folgenden zehn Grundaussagen geben einen allgemeinen Grundriss dessen ab, was aus unserer Sicht als „Freiburger Denkstil“ gelten kann.

Im Mittelpunkt der Ordnungsökonomik stehen die Analyse der gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Ordnung und Vorschläge zu deren Gestaltung.

Die Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung ist als Gegensatz zu politischen Interventionen in den Markt zu verstehen: Ziel der Ordnungsökonomik ist die Bildung und Durchsetzung allgemeiner „Spielregeln“, nicht der Eingriff in den Spielverlauf.

Vordringlichste Aufgabe der Spielregeln einer Wirtschaftsverfassung ist der Schutz offener Märkte in einer Wettbewerbsordnung. In diesem Sinne ist der Wettbewerb eine „staatliche Veranstaltung“, da er seine Voraussetzungen nicht selbst schaffen und garantieren kann.

Der Dynamik gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen wird am besten dadurch Rechnung getragen, daß „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ (Friedrich A. von Hayek) verstanden wird. Die Ordnung der Wirtschaft und deren Regeln sollten also durch eine weitgehende Offenheit und Allgemeinheit gekennzeichnet sein, die Raum für individuelle Entfaltungs- und Lösungsmöglichkeiten läßt.

Maßstab für die „Güte“ einer wirtschaftlichen Ordnung sind die Vorstellungen und Präferenzen der Mitglieder einer Gesellschaft. Die Regeln des Wettbewerbs sind an diesen gemeinsamen Interessen der Individuen auszurichten.

Folglich geht es im Unterschied zur Politik eines „laissez-faire“ nicht um das freie Spiel der Marktkräfte per se, sondern um die Gestaltung der Regeln für den Wettbewerb im Sinne der Konsumenten. In diesem Verständnis ist Wettbewerb ein Mittel zur Gestaltung sozialer, d.h. gesellschaftlicher Zwecke.

Jede spezifische Wirtschaftspolitik ist Teil einer umfassenden Ordnungspolitik. Anstelle eines fallweisen „Ausbalancierens“ wirtschaftlicher und sonstiger gesellschaftlicher Ziele geht es um eine integrative Verknüpfung auf der Ebene der Wirtschaftsverfassung. Die Ausgestaltung der Wettbewerbsordnung soll und kann damit auch etwa Ziele der Sozialpolitik, des Umweltschutzes, oder der Generationengerechtigkeit unter der Maßgabe der Wettbewerbskonformität in einer allgemeinen ordnungspolitischen Konzeption zusammenführen.

Grundlegendes Kriterium zur Sicherung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung ist die konsequente Zurückdrängung von Priviliegiensuche einzelner Gruppen und Sonderinteressen. Die Verhinderung wirtschaftlicher Machtpositionen, wie sie in Monopolen und Kartellen zum Ausdruck kommt, ist ein konstitutives Merkmal ordnungsökonomischen Denkens. Es soll „Leistungswettbewerb“ gewährleistet werden, der den Akteuren gerade dann Erfolg verspricht, wenn sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zugunsten der Bedürfnisse anderer bestmöglich nutzen.

Neben der Ordnung der Wirtschaft bedarf es auch einer funktionsfähigen und freiheitsschützenden Ordnung des politischen Systems. Moderne Ordnungsökonomik muss sich deshalb auch mit den Ordnungsprinzipien und Prozessen für einen politischen Leistungswettbewerb beschäftigen, der gerade diejenigen kollektiven Entscheidungen prämiert, die den gemeinsamen Bürgerinteressen entsprechen.

Ordnungsökonomik ist somit letztlich ein interdisziplinäres, sozialwissenschaftliches Forschungsprogramm, das auch im sozialethischen Diskurs Position beziehen kann. Wirtschaftliche Fragen sind Teilfragen des gesamten gesellschaftlichen Lebens, eingebettet in die jeweiligen institutionellen und kulturellen Gegebenheiten. Eine erfolgversprechende Gestaltung und Ordnung der Wirtschaft muß diesen umfassenden Bedingungen Rechnung tragen.

Persönlichkeiten der Freiburger Schule Franz Böhm

Franz Böhm bezeichnete den Wettbewerb als das „genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“. Er betonte die Notwendigkeit, eine Ordnung des Leistungswettbewerbs gegen Gefährdungen durch private Macht und Kartelle zu verteidigen. Gleichermaßen müsse die marktwirtschaftliche Privatrechtsordnung als Ordnung von Rechtsgleichen davor geschützt werden, dass Interessengruppen über den politischen Prozess Privilegien zu erwirken suchen. So arbeitete er im Rahmen der Widerstandsbewegung um Carl-Friedrich Goerdeler…

Portrait von Franz Böhm

Persönlichkeiten der Freiburger Schule Hans Grossmann-Doerth

1933 wechselte er als planmäßiger außerordentlicher Professor für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht sowie für Bürgerliches Recht an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. In seiner Antrittsvorlesung am 11. Mai 1933 sprach er zum Thema Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, in der er die Kernthesen seines eigenen Ansatzes vorstellte – Thesen, die später auch zentral für das Konzept der Freiburger…

Portrait von Hans Großmann-Doerth

Persönlichkeiten der Freiburger Schule Friedrich A. von Hayek

Im Jahre 1962 nahm Hayek den Ruf auf einen Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg an und wurde wenig später zum Vorstand des Walter Eucken Instituts gewählt. In der folgenden Zeit entstanden unter anderem seine wichtigen Beiträge zur Theorie spontaner Ordnungen und die Konzeption des Wettbewerbs als eines Entdeckungsverfahrens. 1967 wurde Hayek emeritiert, übernahm aber die Vertretung seines…

Portrait von Friedrich A. von Hayek

Persönlichkeiten der Freiburger Schule Erich Hoppmann

Die wissenschaftliche Bedeutung Hoppmanns liegt auf dem Feld der Wettbewerbspolitik, zu dem er richtungsweisende Arbeiten vorlegte. Als in den 1960er Jahren in Deutschland ein marktkonformes „Neues Leitbild für die Wettbewerbspolitik“ mit Resonanz sowohl auf der Ebene der Kartellbehörden als auch des Bundeswirtschaftsministeriums diskutiert wurde, setzte er sein Konzept der Wettbewerbsfreiheit entgegen. Im Rahmen dieser grundsätzlichen Fragestellung ging es auch um…

Portrait von Erich Hoppmann