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Donnerstag, 23.02.2012 Europa ist mehr als der Euro! Spaltet oder verbindet die gemeinsame Währung?

Gerhard Stratthaus MdL

Finanzminister Baden-Württemberg a. D.

Zusammenfassung

"Der Euro war und ist ein politisches Projekt"

Zunächst erläuterte Gerhard Stratthaus die wirtschaftshistorischen Entwicklung von der Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung, um zu zeigen, dass der Euro ein politisches Projekt sei. Unter den Eindrücken der Zerstörung, die der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg über Europa gebracht hatten, wollten die westlichen Siegermächte ein wirtschaftliches Wiedererstarken Deutschlands verhindern. Mit Beginn des Kalten Krieges und den zunehmenden Konflikten zwischen den Supermächten USA und UdSSR änderte sich dies und mit einem mächtigen Westdeutschland sollte der sowjetische Einflussbereich begrenzt werden. So wurde beispielsweise durch den Marshallplan der Wiederaufbau gefördert, allerdings bei einer gleichzeitigen wirtschaftlichen Integration, die in der Montanunion vorangetrieben wurde. Deutschland durfte also ökonomisch wiedererstarken, aber nur eingebunden in eine europäische Lösung. Bei der Überzeugungsarbeit für die deutsche Wiedervereinigung 1989, so Stratthaus, spielte somit die Einführung des Euro eine bedeutende Rolle.

"Der Euro sollte Europa einen – aktuell droht er Europa zu spalten!"

Bevor er auf die aktuelle Lage einging, betonte Stratthaus, dass in Zeiten der Globalisierung, in denen Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien in den kommenden dreißig Jahren wirtschaftlich so mächtig würden, dass auch die größeren europäischen Staaten weltweit kaum noch wahrgenommen würden, Europa eine koordinierte Außen-, Verteidigungs- und Außenwirtschaftspolitik brauche.

"Haben wir eine Eurokrise?"

Der Euro habe in den zehn Jahren seines Bestehens niedrigere Inflationsraten als die Deutsche Mark je hatte. Auch der Wert des Euro im Verhältnis zu anderen Währungen habe sich durchweg positiv entwickelt. Die Stärke einer Währung hänge letzten Endes davon ab, wie weit der hinter dem Geld stehende Staat (oder die Staaten) das durch das Geld garantierte Zahlungsversprechen aus Marktsicht garantieren könne. Dieses Vertrauen bestehe gegenüber einigen Euro-Staaten nicht mehr. Weil befürchtet würde, dass das Misstrauen gegenüber anderen Eurostaaten wachse, könne es tatsächlich zu einer Währungskrise kommen, so Stratthaus. Bisher jedoch, so betonte er, hätten wir eine Staatsschuldenkrise – keine Währungskrise!

"Warum ist die Eurozonein von der Weltschuldenkrise besonders betroffen?"

Japan und die USA seien viel stärker verschuldet als die meisten Staaten der Eurozone. In Japan aber stützen die Bürger den Staat finanziell und zeigten damit ihr Vertrauen. Die USA hätten mit dem Dollar als Weltleitwährung offensichtlich immer noch das große Vertrauen der Weltfinanzmärkte. Die Eurozone umfasst Volkswirtschaften von ganz unterschiedlichem Entwicklungsstand und mit höchst unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit. Vor der Einführung des Euro habe ein Land, dessen Wettbewerbsfähigkeit sich relativ verschlechtert hatte, durch Abwertung seiner Währung diese Wettbewerbsfähigkeit kurzfristig wieder herstellen können. Den schwächeren Euroländern habe das Anpassungsscharnier der Abwertung gefehlt. Da befürchtet wurde, sie können sich durch eine höhere Verschuldung Wohlstand erkaufen, wurden die Maastrichtkriterien etabliert. So sollte eine übermäßige Staatsverschuldung verhindert werden. Stratthaus bedauerte, dass die Kriterien nicht ernst genommen und erstmals durch Frankreich und Deutschland gebrochen worden seien. Die Verschuldung sei gerade in den letzten Jahren gewaltig gewachsen. Die Investoren glaubten nicht mehr an die Rückzahlungsfähigkeit mancher Euroländer und weigerten sich deswegen, diesen Ländern weiterhin Schuldpapiere abzunehmen. So seien diese Länder der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt.

Lösungsmöglichkeiten

Gerhard Stratthaus sieht drei Lösungsmöglichkeiten:

1.) Das Auseinanderbrechen der Eurounion mit unabsehbaren politischen und wirtschaftlichen Folgen. Dies solle unbedingt vermieden werden.

2.) Die direkte regelmäßige Geldüberweisung der wirtschaftlich starken Länder an die schwachen Länder (Transferunion). Die sei keine Lösung, weil so nicht die Wettbewerbsfähigkeit der schwachen Länder gesteigert würde und im Übrigen dies der Bevölkerung der Zahlerländer politisch auf Dauer nicht zu vermitteln sei.

3.) Der Versuch, den schwachen Ländern Zeit zu verschaffen, damit diese ihre politischen und wirtschaftlichen Probleme lösen könnten, um damit Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.

"Sanierung ja – aber wie?"

Kurzfristig könne durch Garantien der starken Euroländer die Zahlungsfähigkeit der schwächeren Länder erhalten werden. Mittelfristig müsse die Verschuldung gestoppt werden, was nur durch staatliche Strukturreformen möglich sei und dann funktionieren könne, wenn die Verschuldung langfristig und nachhaltig vermindert wird. Langfristig müsse die Wettbewerbsfähigkeit der Länder hergestellt werden. Das hieße, dass Löhne und Preise im Verhältnis zu den anderen Euroländern sinken müssten, da ja eine Anpassung über den Wechselkurs nicht mehr möglich sei. Ob dies politisch tatsächlich durchsetzbar sei, könne allerdings mit Fug und Recht bezweifelt werden.

"Wird die Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit gelingen?"

Dies würde wohl nicht bei allen Ländern möglich sein. Deshalb solle auch darüber nachgedacht werden, in welcher Form ein Euroland vorübergehend oder auf Dauer aus der Eurozone ausscheiden kann. Den Euro werde es auch in 20 Jahren noch geben. Dass die Mitglieder der Eurozone dann noch die Gleichen sein werden, bezweifelte Stratthaus. Abschließen plädierte er nochmal für Europa, das mehr als der Euro und die Zukunft Deutschlands sei.