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Donnerstag, 01.10.2020 | 18:00:00 Uhr | Digitales Webinar Zoom Die Ordnung der Wirtschaft in Zeiten der digitalen Evolution. Ist die Digitalisierung in Deutschland zukunftsfähig?

Martin Becker

Chief Executive Officer, KNF Gruppe, Munzingen

Digitales Webinar Zoom

Moderation:

Julius von Gleichenstein (Vorstandsmitglied Aktionskreis Freiburger Schule)

Zur Einstimmung

Der Moderator Julius von Gleichenstein hat die drei Diskutanten im Vorfeld zu Fragen der Digitalisierung und der sich daraus ergebenden Bedarfe für ihre Unternehmen interviewt.

Video I: Gespräch mit Martin Becker

Video II: Gespräch mit Dr. Emanuel von Elsner

Video III: Gespräch mit Bernd Neugart

Zur Veranstaltungsreihe

Wir freuen uns, Sie nach einer längeren, coronabedingten Pause zu einer Veranstaltung einladen zu können. Passend zu dem Thema unserer neuen Reihe „Digitalisierung in Deutschland“ wird diese Diskussionsrunde online stattfinden. Bei unserer ersten Veranstaltung wollen wir die damit verbundenen Fragen aus der Sicht von Unternehmerinnen und Unternehmern betrachten.

Unsere Reihe wird mit weiteren Terminen fortgeführt, in denen die aktuelle Situation im Bildungswesen, der Kommunal- und der Bundespolitik sowie den Bereichen Start-ups und Finanzierung betrachtet werden soll.

Wir sind gespannt auf dieses für uns neue Veranstaltungsformat und hoffen auf Ihr zahlreiches Interesse.

Zusammenfassung

Bei der ersten Veranstaltung der Reihe „Digitalisierung in Deutschland“ diskutierten drei Unternehmer aus der Region Südbaden – Martin Becker, CEO der KNF Gruppe, Dr. Emanuel Elsner, Geschäftsführer der SAES Sun & Energy Service GmbH und Bernd Neugart, Geschäftsführer der Neugart GmbH – mit Prof. Dr. Heike Walterscheid, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der DHBW Lörrach.

Die erste Frage des Moderators Julius von Gleichenstein bezog sich auf den Digitalisierungsgrad der Unternehmen und darauf, wie die Unternehmer diesen gegenüber ihren Wettbewerbern einschätzten. Fehlende Kennziffern machen empirische Vergleiche schwierig; die Diskutanten griffen auf ihre persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen zurück:

Relevant für den Digitalisierungsgrad sei zum einen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens mit einem digitalen Arbeitsplatz ausgestattet sind bzw. in digitale Prozesse eingebunden sind. Herausfordernd sei es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generationenübergreifend mitzunehmen, deren Ausgangsbedingungen sehr unterschiedlich sind. Andererseits gehe es darum, die verschiedenen Systeme einer Produktion wie Werkzeugverwaltung, Prüfmittelmessung und weitere Maschinen innerhalb einer Industrie 4.0 miteinander zu vernetzen. Dieser Transformationsprozess bringt teilweise komplexe Vorhaben in der operativen Umsetzung mit sich, beispielsweise in der Abstimmung und Synchronisierung verschiedener Schnittstellen. Für Industrieunternehmen wie Neugart oder KNF bringt Digitalisierung somit große Chancen aber auch Herausforderungen mit sich. Jüngere Unternehmen wie SAES, die ein digitales Geschäftsmodell betreiben, haben hingegen Prozesse von Beginn an digital auf- und umgesetzt.

Im Vergleich zu nationalen wie internationalen Wettbewerbern sahen sich alle Unternehmer gut aufgestellt. Asiatische Wettbewerber, insbesondere aus Japan, China und Taiwan seien allerdings deutlich weiter, was den Einsatz von modernerer Robotik angehe. In Deutschland führten Gesetze zur Arbeitssicherheit dazu, dass die Roboter nur sehr langsam arbeiten dürften und deren Einsatz somit nicht praktikable sei. Hier sahen die Diskutanten Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers. Gleichzeitig berichteten die Teilnehmer der Diskussionsrunde, dass asiatische und amerikanische Wettberber über die Robotik hinaus häufig keinen Vorsprung bei der Digitalisierung hätten. Diese fände, so beobachtet es Bernd Neugart, hauptsächlich an der Oberfläche statt; die dahinterliegenden Prozesse würden hingegen nicht konsequent eingebunden.

Aber auch der Digitalisierungsgrad Deutschlands lasse generell noch Luft nach oben, was wiederum Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit habe. Im Mittelpunkt der Kritik stand hierbei der Netzausbau. In Deutschland gebe es noch zu viele Gegenden, in denen kein leistungsfähiger Breitbandanschluss vorhanden sei. Darin liege ein konkreter Standortnachteil, da die Prozesse in den Unternehmen nur sauber abbildbar sind, wenn die Internetverbindung belastbar ist. Martin Becker betonte, dass sein Unternehmen durch die unzureichende digitale Infrastruktur deutlich gehemmt sei und deshalb bei modernen Prozessen im Sinne einer Industrie 4.0 in die Schweiz und die USA ausweiche. Auch dass die deutschen Behörden bei ihrer internen Digitalisierung sehr rückständig und weit entfernt von der Unternehmensrealität seien, wurde als Hemmnis festgestellt, das es durch die Politik rasch zu verbessern gelte. Bernd Neugart bemerkte, dass der digitale Fortschritt in der Verwaltung zu wünschen übrig ließe: Die Unternehmen würden es begrüßen, wenn nicht nur Formulare sondern auch die Prozesse digitalisiert und dadurch transparenter und effizienter gestaltet würden, denn auch diese bürokratische Hürde würde zunehmend zum Standortnachteil.

Alle Diskutanten waren sich einig, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, in Innovationsprozesse einzugreifen, da so der Wettbewerb verzerrt werde. Vielmehr solle die Politik die Digitalisierung in Deutschland durch verlässliche Rahmenbedingungen gestalten: Konkret bedeutet dies insbesondere den Aufbau einer zuverlässigen Infrastruktur und eine verlässliche Wirtschaftspolitik.

Big Data könne und müsse in Zukunft ein größeres Thema werden. Anhand der Auswertung von Informationen, die durch die vernetzten internen Prozesse und Maschinen anfallen, können perspektivisch Verbesserungsmöglichkeiten der Produkte aufzeigt werden. Derzeit fehlten jedoch noch die Fachkräfte, die über die nötigen Kompetenzen verfügten, um mit den großen Datenmengen konstruktiv arbeiten zu können. Dieses Know How sei nicht einfach zu erlangen; es müssten mehr Spezialisten für den Bereich Data Science durch entsprechende Studiengänge an Hochschulen ausgebildet werden. Wichtig sei es, diese Studiengänge an den Anforderungen und Bedarfen der Unternehmen auszurichten.

Neben der Bereitstellung der technischen Infrastruktur wurde die Rolle der Politik darin gesehen, das Bildungssystem stärker auf digitale Kompetenzen auszurichten. Momentan bestehe hier eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen, sowohl was Hardware als auch die dahingehende Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer anginge. Schulen müssten digital ausgestattet und Lehrerinnen und Lehrern das entsprechende Fachwissen vermittelt werden, um digital zu lehren und Schülerinnen und Schülern eine Medienkompetenz beizubringen, die auf das Arbeitsleben ausgerichtet sei.